Holger Zimmermann steht im Wangeliner Garten und schaut sich jeden einzelnen Obstbaum genau an. Er betrachtet sie. Sucht nach toten oder kranken Ästen. Bei einem Apfelbaum entdeckt er auf Anhieb etwas. Aber sehen es auch seine Schüler? Holger Zimmermann ist Obstgehölzpfleger. Der Berliner holt seine Leiter, schaut sich die Krebsstelle an dem Ast genauer an. „Hier ist der Krebs schon zu weit fortgeschritten“, erklärt er den Kursteilnehmern des Praxisseminars Obstbaumschnitt im Wangeliner Garten. Herausschälen ist nicht mehr drin, nur wenn die Stelle kleiner gewesen wäre. Der Ast muss weichen.
Seit einigen Jahren arbeitet Holger Zimmermann als Gehölzpfleger – im Nachbarbundesland Schleswig-Holstein zum Beispiel zwischen Eckernförde und Flensburg. Durch Zufall ist er zu diesem Job gekommen. „Ich habe schon immer gärtnerische Ambitionen gehabt“, erzählt er im Garten-Café während der Pause. Es sei im Zuge beruflicher Weiterbildungen so gekommen, dass er sich jetzt mit dem Lifting von Obstbäumen beschäftigt. Einiges von seinem Wissen, seinem Know-How hat er jetzt im Praxisseminar im Wangeliner Garten weitergegeben.
Nach der Theorie im gewärmten Garten-Café schreitet Holger Zimmermann mit seinen Schülern zur Tat. Im „Vorgarten“ des Wangeliner Gartens – im Bereich der Rundballenbauten – stehen ebenfalls einige Obstgehölze. Noch junge Bäume. Die müssen richtig erzogen werden. Der Erziehungsschnitt prägt den Obstbaum für sein gesamtes Leben, gibt ihm seine Form, seine Kraft, sein Gerüst… „Auf die Statik kommt es an, schließlich soll der Baum später auch Früchte tragen“, erklärt Holger Zimmermann. Dafür muss die Krone entsprechend tragfähig sein. Am Beispiel des Jungbaumes im Wangeliner Garten erkennt der Experte sofort, dass der Erziehungsschnitt ausgeblieben ist. „Der Mittelstamm sitzt hier falsch.“ Deshalb greift der Kursleiter jetzt zur Gartenschere. Doch einfach drauf losschneiden ist bei Holger Zimmermann nicht drin – das sieht er viel zu häufig in Vorgärten. „Bevor ich schneide, gibt es eine Baumansprache: ,Hallo Baum, wie geht’s dir heute?‘ Nein, natürlich nicht. Bei der Baumansprache handelt es sich um die Umgebung des Baumes.“ Wo steht er, wie weit ist der nächste Baum entfernt, aus welcher Richtung bekommt er Sonne? All das spielt eine zentrale Rolle. Danach erst wird scharfes und sauberes Werkzeug angesetzt. Je nach Wachstum der Obstgehölze – schwach oder stark – dauert die Erziehungsphase eines Baumes zwischen drei und sieben Jahre.
Auf die Erziehung erfolgt die Erhaltung. Damit soll der Baum „in Form“ gehalten werden. „Jeder Baum hat sein eigenes System. Ist dieses Gestört, gerät er aus dem Gleichgewicht. Mit dem richtigen Schnitt muss das wieder hergestellt werden“, erklärt Holger Zimmermann. Triebe, die zu eng stehen oder in den Baum wachsen, werden entfernt. Dabei setzt der Fachmann seine Säge nah am Astring an und sägt ihn ab. Häufiger Fehler beim Obstbaumschnitt: Das komplette Entfernen der Wasserschosse. „Wenn ein Baum viele Wasserschosse hat, wurde er zu stark beschnitten. Starker Schnitt gleich starke Reaktion.“ Deshalb werden zwei Drittel entfernt, ein Drittel wird stehen gelassen. Schließlich haben Wassertriebe auch eine Funktion. „Bäume können Sonnenbrand bekommen und die Wasserschosse beschatten den Baum, schützen ihn also.“ Generell gilt: Beim Obstbaumschnitt wird sich von Oben nach Unten vorangearbeitet. „Und ich darf beim Schneiden auch nicht zu zimperlich sein.“
Fotos und Text von: Sabrina Panknin
Quelle: praxisseminar in wangelin : Lifting für Obstbäume